«Wir leben die Nachhaltigkeit von Grund auf»

Das Gletscher-Hotel Morteratsch in Pontresina GR ist eines von sieben Hotelbetrieben, die im Frühling 2020 gemeinsam mit Valentin Gastro und United Against Waste eine Detailmessung durchgeführt haben. Leider musste die Messphase wegen dem Corona-Lockdown nach drei Wochen frühzeitig abgebrochen werden. Die Datengrundlage ist damit nicht perfekt, bietet aber dennoch viele wichtige Anhaltspunkte für passende Food Save Massnahmen. Das Gletscher-Hotel Morteratsch legt hohen Wert auf Nachhaltigkeit und hat bereits vielseitige Massnahmen umgesetzt. Nun gehört auch Food Save dazu. Gastgeberin Monika Meister und Küchenchef Thorsten Stegemann im Interview.

 

Monika und Thorsten, ihr habt in Zusammenarbeit mit Valentin Gastro an einem UAW-Projekt teilgenommen, um eure Lebensmittelabfälle zu erheben. Was hat euch dazu motiviert?

Monika (Gastgeberin):
Das Gletscher Hotel Morteratsch steht am schönsten Fleck weit und breit. Doch das Val Morteratsch ist auch ein sehr sensibler Ort. Wildschutz- und Naturschutzgebiete umgeben uns, der Gletscher liegt direkt vor der Tür. Wir spüren die Schönheit der intakten Natur tag täglich, sehen aber auch den eindrücklichen Gletscherschwund des Morteratschgletschers. Zudem leben wir die Nachhaltigkeit von Grund auf. Nie mit dem Finger zeigend, doch immer von Herzen und als Vorbildrolle. Ich bin auf einem Bauernhof in einer Grossfamilie aufgewachsen, wir haben uns selbstversorgt, was wir nicht hatten, wurde vom Nachbar/nahen Umkreis bezogen. Käse, Butter, Jogurt, Konfi, Brot wurde Zuhause hergestellt. Fleisch aus eigener Haltung. Für mich ist dies das einzig richtige. Ich weiss wieviel Arbeit hinter einem Produkt steht, so schmerzt Food Waste umso mehr.

Thorsten (Küchenchef):
Wir versuchten mit diesem Projekt auch ein Zeichen zu setzen. Wenn ein Ausflugsrestaurant mit stark schwankendem Gästeaufkommen dies kann, dann kann es wohl jeder. So wollten wir uns dieser Herausforderung stellen.

 

Nachhaltigkeit ist für euch eine wichtige Säule, beziehungsweise eine wichtige Werthaltung. Dies kommuniziert ihr offen und prominent auf eurer Webseite. Viele sehen jedoch einen Konflikt zwischen dem grosszügigen Gastgebersein und dem Reduzieren von Lebensmittelabfällen. Wie stehst du dazu? 

Monika:
Ich glaube, es ist die richtige Zeit dafür. Noch vor einigen Jahren haben viele Gäste dies als «knauserig» aufgenommen. Heutzutage schrecken zu grosse Portionen aber auch sehr viele Gäste ab. Wir versuchen uns die Zeit zu nehmen und bei der Bestellung den Gast zu spüren, was er will. Wenn ein Bergsteiger vor uns sitzt und sagt was für ein grosser Hunger er hat, schreiben wir einen Kommentar (grosse Portion) in die Küche. Wir fragen auch explizit ältere Gäste, ob sie eine kleine Portion wünschen. Die paar wenigen Franken, welche uns so im Umsatz fehlen, sparen wir beim Abfall. Bei Menüs etc. fragen wir, ob die Gäste genug haben oder noch einen Nachschlag wünschen. Wir sehen eher einen kleine Konflikt bei wenigen Gästen, welche typische, anonyme Ausflugsrestaurant-Gerichte erwarten und nicht sehen, dass Sie ein Bio-Angus-Beef vom heimischen Bauer auf dem Teller haben und so unsere Preise stolz für ein Ausflugsrestaurant finden. Ich bin der Meinung, dass wenn die Kommunikation mit Gast und Küche beherrscht wird, dies kein grosser Konflikt ist.

 

Welche Potenziale habt ihr durch die Detailmessung entdeckt?

Thorsten:
Überraschend waren erstmal die ersten Zahlen, wo man gesehen hat, was eigentlich alles in den Abfall geht. Wirklich erschreckend, obwohl wir vorher bereits gut die Lebensmittel weiterverwendet haben. Nicht alles lässt sich leider aus Sicht der Lebensmittelhygiene weiterverarbeiten. So kann man aber zum Beispiel aus Orangenschalen eine wunderschöne Essigessenz herstellen, oder aus Rüstabschnitten herrliche Fonds oder Saucen zubereiten.
Am Anfang war es doch relativ schwierig, die neuen Arbeitsschritte in die Köpfe der Mitarbeiter in der Küche zu bekommen. Nach einer Woche war dieses aber sehr in den täglichen Arbeitsabläufen integriert und umgesetzt. Auch die Portionsgrössen spielen eine grosse Rolle. So richten wir die Teller in der Küche nun etwas kleiner an und jeder Gast kann dann noch etwas nach haben. Ein kleiner Mehraufwand, welcher sich aber lohnt.
Ausserdem haben wir unser Konzept noch mehr auf Regionalität umgestellt. So findet man bei uns keine Ananas, Kiwis oder Mangos, es gibt nur das, was die Saison gerade hergibt. So spart man schonmal beim Fruchtsalat eine Menge Abfall von der Ananas Schale. Es ist erstaunlich, dass man hier feststellen kann, dass saisonale, regionale Produkte meist vollumfänglich verwendet werden können und exotische Produkte meist viel Abschnitt haben. Wir fühlten uns so noch etwas mehr bestätigt in der richtigen Produkte-Wahl.

 

Nun haben Sie bereits einige Massnahmen ergriffen und sind in der Umsetzung – wie kommunizieren Sie Ihr Engagement Ihren Gästen? Und wie sind die Reaktionen?

Monika:
Während dem Projekt haben wir die Gesamtsumme an Food Waste in Kilo pro Tag auf einer Tafel beim Eingang publiziert (gestern hatten wir 9.5 Kilo Food Waste). Auch wenn dies im Vergleich zu anderen Betrieben pro Gast nicht wahnsinnig viel ist, ist es doch fast 10 Kilo! Viele Gäste haben uns direkt angesprochen, dies bot auch eine Möglichkeit unsere Nachhaltigkeit-Philosophie dem Gast näher zu bringen, was sehr gut ankam und für uns marketingtechnisch positiv war. Jetzt machen wir dies nicht mehr täglich, sondern in regemässigen Abständen, um auch uns immer wieder daran zu erinnern.
Weiter haben wir in der Karte den Vermerk, dass kleine Gerichte erhältlich sind und wie oben erwähnt, versuchen wir uns die Zeit mit dem Gast zu nehmen, um zu spüren wie viel er braucht. Der Gast schätzt diesen persönlichen Service sehr.

Thorsten:
Am Abend machen wir die Portionen allgemein etwas kleiner, da der Gast meistens mehrere Gänge isst. Bestellt er nur einen Gang, wird etwas mehr geschöpft. Beim Frühstücksbuffet wird das meiste in Mini-Gläschen angeboten, Corona-technisch auch perfekt. Dies kommt bei den Gästen sehr gut an, da es viel schöner aussieht, als wenn Jogurt, Müesli, etc. aus dem grossen Topf mit viel «Geklecker» geschöpft wird.
Vor Corona-Zeiten wurde zudem Käse und Früchte nur noch am Stück zum selber schneiden aufs Frühstücksbuffet gestellt, der Gast hat so nur so viel geschnitten, wie er wirklich ass, der Rest konnte wunderbar weiterverwendet werden. Auch dies nahm der Gast positiv war, da eine Interaktion hervorgerufen wird und es schöner aussieht. In Zeiten von Corona ist dies leider nicht mehr möglich.

 

War die Teilnahme an diesem Projekt erfolgreich für Sie?

Monika:
Für uns war die Teilnahme an diesem Food Waste Projekt mehr als erfolgreich. Klar braucht es einen gewissen Mehraufwand vor allem anfänglich bei der detaillierten Messung und nun bei der Umsetzung im daily business, doch sobald man dies verinnerlicht hat, behindert dies kaum den normalen Tagesablauf. Zudem kann man pures Storytelling zu einem Thema was die Menschheit beschäftigt, betreiben. Für uns wohl das effektivste Marketinginstrument, welches ausser etwas Zeit nichts kostet und uns Ersparnisse in der Entsorgung bringt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Monika Meister, Gastgeberin, und Thorsten Stegemann, Küchenchef im Gletscher-Hotel Morteratsch

 

Über das Gletscher Hotel Morteratsch können Sie hier mehr erfahren. Das Team freut sich aber auch über ihre direkte Kontaktaufnahme:

Gletscher Hotel Morteratsch
Morteratsch 4
7504 Pontresina
+41 81 842 63 13
mail@morteratsch.ch

 

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