Food Save darf kein One-Hit-Wonder sein!

Die Bäckerei-Confiserie Böhli ist seit 2017 Mitglied bei United Against Waste (UAW) und setzt sich seither vielseitig gegen Lebensmittelverschwendung ein. Das Familienunternehmen vereint damit Tradition mit einem modernen Nachhaltigkeitsanspruch. Katja Hartmann, Leiterin Marketing und Kommunikation bei der Böhli AG, spricht über das Food Save-Engagement des Bäckereibetriebs.

 

Frau Hartmann, die Böhli AG bezieht ihre Ressourcen aus regionalen und saisonalen Quellen und setzt sich daneben für die Vermeidung von Lebensmittelabfällen ein. Seit wann hat Nachhaltigkeit einen so hohen Stellenwert für das Unternehmen?

Als traditionelle Bäckerei, Konditorei und Confiserie in Appenzell stellt die BÖHLI AG in der 5. Generation Produkte her, denen alte, überlieferte Rezepte zugrunde liegen. Aber auch Neukreationen und «modernisierte» Produkte gehen bei uns regelmässig über den Ladentisch. Wir sehen uns als innovatives Unternehmen, das sich der Tradition sehr wohl bewusst ist und diese in aktueller Form pflegt und bewahrt. Schon der Grossvater und Vater der heutigen Inhaber, der Brüder Alfred und Markus Sutter, haben Wert darauf gelegt wann immer möglich und sinnvoll, regionale und Schweizer Rohstoffe zu verwenden. Und das ist auch heute noch unsere Philosophie. Regionalität war und ist im Appenzellerland schon immer ein Thema, bzw. ein Selbstverständnis; ich vermute, weil die Identifikation der Menschen mit ihrem Kanton m. E. überdurchschnittlich hoch ist. Über mehrere Schritte sind wir 2017 dem Netzwerk UAW beigetreten. Unabhängig davon hatten wir in unseren 6 Verkaufsstellen damit begonnen, das «Ladenbacken» zu forcieren. Das heisst wir haben Brote und andere Produkte entwickelt und produziert, die in den Filialen fertiggebacken werden können. Somit konnten wir die Retouren/Altbrot aus den Filialen bereits um ca. 20% reduzieren. Der Stellenwert ist gross und wird sicher zukünftig noch grösser.

 

Welchen Herausforderungen begegnen Sie mit diesen Ansprüchen?

Zum einen ist es der eigene Qualitätsanspruch. Unsere Produkte sollen möglichst natürlich sein, super schmecken, aber auch makellos in der Erscheinung. Von unseren Mitarbeiterinnern und Mitarbeitern in der Bäckerei und Konditorei verlangen wir fachliche Perfektion, damit wir das hinbekommen. Die Preisgestaltung ist auch immer eine Herausforderung. Den Landwirten z.B., die mit uns seit 2015 das Projekt Appenzeller Dinkel Urkorn umsetzen, zahlen wir für den Appenzeller Dinkel 30% über dem Börsenpreis. Appenzeller Milchprodukte und Eier sind auch etwas teurer als «nur» Schweizer Milch und Eier. Glücklicherweise ist das Bewusstsein der Kundinnen und Kunden aber schon sehr entwickelt, wenn es um Regionalität und Natürlichkeit geht, so dass wir hier bisher immer gute Kompromisse gefunden haben. Unsere Mitarbeiterinnen in den Filialen benötigen viel Weitsicht, um nicht zu viel oder zu wenig Produkte zu bestellen und/oder nachzubacken. Das ist oft sehr schwer abzuschätzen. Plus, dem Kunden dann auch noch das charmant schmackhaft zu machen, was abends um 18.20 Uhr noch im Regal liegt. Da ist Verkaufsgeschick gefragt.

 

Die Bäckereibranche zeichnet sich durch den direkten Kontakt mit den Kunden aus. Wie wichtig ist es für Sie, dass Ihre Kunden diese Werte erleben können?

Das ist uns sehr wichtig. Wir stellen uns diesen Herausforderungen ja für unsere Kunden. Dann ist es schon schön, wenn sie wissen, was wir für Anstrengungen «für sie oder ihn» unternehmen und es freut uns, wenn die Kundinnen und Kunden dies schätzen. Dazu bedarf es einer umfassenden Kommunikation. Diese fängt intern an und erstreckt sich dann extern weiter über aller zur Verfügung stehenden Kanäle. Kommunikation ist die eine Sache, die andere aber natürlich, dass die Qualität die Kunden überzeugt. Sei es, wenn wir ein bestehendes Produkt z.B. auf Appenzeller Dinkel umstellen oder ein neues Produkt lancieren. Meist hat man hier nur einen Versuch. Wenn der fehlschlägt, hat ein Produkt es schwer. Aber wie gesagt, die Kundinnen und Kunden sind durchaus sensibilisiert für diese Themen und wenn wir unsere Beweggründe erklären können, trifft das meist auch auf Verständnis.

 

Sie bieten seit längerem auch feine Produkte vom Vortag zum halben Preis an. Welche Fortschritte konnten Sie damit erzielen und wie kommt das Angebot bei den Kunden an? 

Ja, wir standen wieder vor der Frage, wie können wir die Retouren aus 6 Verkaufsstellen verringen? 2018 habe ich auf der Jahresversammlung von UAW die APP «Too good to go» kennengelernt und wir haben für uns überlegt, ob das etwas für uns wäre. Im Zuge der Diskussionen haben wir gesehen, dass viele der Produkte am Folgetag noch einwandfrei in der Qualität sind und dass oftmals nur das Aussehen nicht mehr ganz dem 1A-Produkt entspricht, welches der Kunde bei uns erwarten kann. So kamen wir auf die Idee «E gueti Sach vo gescht». Es wurde festgelegt, welche Produkte am nächsten Tag mit 50% angeschrieben werden können. Diese sind deutlich gekennzeichnet und stehen in Warengruppen beieinander. Die Brote liegen zusammen am immer selben Platz im Regal. Die «gueti Sach» ist hervorragend angenommen worden. Brot, Patisserie, süsse Stücksachen oder Eingeklemmte, ausnahmslos kommen die Sachen gut an und werden gerne gekauft. Dadurch konnten wir die Retouren nochmals um ca. 20% reduzieren, was uns ungemein freut.

 

Wie wird sich Böhli in Zukunft für Food Save und Nachhaltigkeit einsetzen?

Natürlich! Food Save darf kein One-Hit-Wonder sein! Wir versuchen, uns in allen Bereichen permanent zu verbessern. Da gehören mittlerweile nicht nur die Produkte selbst und Food Save dazu, sondern auch alles was die Themen Nachhaltigkeit, Regionalität, Natürlichkeit usw. im weiteren Sinn betrifft. Es gibt noch so viele Bereiche, die man betrachten muss, das fängt bei der Verpackungen eines Sandwiches an und hört beim bewussten Wassersparen noch lange nicht auf. Ideen und Vorschläge unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur bzgl. Food Save sind uns immer willkommen und werden  von allen Seiten beleuchtet. Wir können und wollen es uns heute nicht mehr leisten, diese Themen ausser Acht zu lassen. Weder aus einer sozialen Verantwortung heraus noch bezogen auf unser Image als innovatives Unternehmen und letztlich auch nicht aus wirtschaftlicher Sicht.

 

Katja Hartmann, Leiterin Marketing und Kommunikation bei BÖHLI

 

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